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Plural bzw. Mehrzahl: Diese Besonderheiten sollten Sie kennen

Den Impuls, einen Beitrag über den Plural zu schreiben, verdanke ich dem „wilden“ Plakat am Straßenrand. Denn den meisten Sprecher/innen dürfte klar sein, dass es Wodkaflaschen heißt, wenn es um den Plural bzw. die Mehrzahl geht. Bei anderen Begriffen wird es schwieriger. Was macht man aus dem Gebirge? Und gibt es Bedarfe? Eine Übersicht mit häufig gesuchten Wörtern und ihrer Mehrzahl findet sich am Ende des Beitrags.

Auf ins Pluralgebirge

Das Gebirge: nicht nur die Gesamtheit von Bergen bzw. eine „zusammenhängende, durch Täler gegliederte Gruppe von hohen Bergen“ (vgl. Duden), sondern auch ein Wort, das die gleiche Form im Plural wie in der Einzahl hat (das/die Gebirge). Daneben gibt es auch das Pluraletantum: ein Wort, das nur in der Mehrzahl auftritt, beispielsweise Ferien, Leute, Unkosten. Damit die Information auf obigem Plakat grammatikalisch richtig wäre, müsste das Wort „Flasche“ die gleiche Singular- und Pluralform aufweisen (der Quader, die Quader) oder nur in der Einzahl vorkommen, also ein Singularetantum sein. Im Gegensatz zu den Begriffen Durst, Hunger, Ruhe oder Schutz bildet Flasche den Plural aber ganz normal. 50 % auf alle Wodkaflaschen. (Im Lektorat würde ich diese Korrekturen anmerken: Abstand zwischen Zahl und Prozentzeichen einfügen, Wodka im Deutschen mit W, Komposita werden zusammengeschrieben.)

Besondere Formen des Plurals bei Fachwörtern: Verbräuche, Betone

Fachwörter haben häufig die Eigenschaft, für Laien unverständlich zu sein. Und noch etwas ist besonders – sie durchkreuzen die üblichen Regelungen für Ein- und Mehrzahl. So können auch Plurale von Bedarf (Bedarfe) oder Salz (Salze) gebildet werden, was in der Allgemeinsprache überflüssig ist. Das führt sogar zu Wörtern wie Blute, Elektrizitäten oder Gersten; aber, wohlgemerkt, alles nur im Bereich der Fachsprache.

Plural und Umlaute: Öfen, Katzen, Schlote

Substantive mit umlautfähigem Stammvokal teilen sich im Normalfall in zwei Gruppen auf: Pluralbildung mit Umlaut (der Ofen – die Öfen) oder ohne Umlaut (die Katze – die Katzen). Zudem gibt es Substantive, bei denen beide Formen standardsprachlich korrekt sind: Nachlasse – Nachlässe, Zwiebacke – Zwiebäcke. Manchmal ist auch eine Form gebräuchlicher, die andere hingegen regional oder umgangssprachlich: Schlote (umgs.: Schlöte), Schlucke (umgs.: Schlücke), Kräne (fachspr.: Krane). Einige Pluralformen zeugen aber auch von der inhaltlichen Unterschiedlichkeit gleichlautender Singularbegriffe: der Bund – die Bunde bzw. die Bünde, der Spund – die Spunde bzw. die Spünde.

Der Plural bei Fremdwörtern: Firmen, Babys, Celli, Spaghetti

Viele Fremdwörter haben heimische Endungen. Einige ersetzen die fremde Singularendung durch heimische Pluralendungen (Firma – Firmen, Mythos – Mythen), andere bewahren ihre fremden Endungen: Appendix – Appendizes, Cello – Celli. An englische Begriffe, die auf den Buchstaben Y enden, wird ein S angehängt: Babys, Ponys. An fremde Pluralendungen wird keine zusätzliche Endung angehängt: Wir essen Spaghetti, sie spielen Soli. Ich habe die einzelnen Themen/Themata in diversen Lexiken/Lexika nachgeschlagen.

Der Gipfel: Verschiedenste Plurale – Aase und Äser, ein Seemann unter Seeleuten, die USA

Sind Sie noch mit dabei beim Ausflug ins Pluralgebirge? Der Gipfel wartet, allerdings ist er übersät mit Menschen, und einige sind ziemlich nervige Zeitgenossen. Sie stehen permanent im Wege herum und werfen Zigarettenkippen in die Natur. Kein Wunder, dass einem gleich das Schimpfwort Äser in den Sinn kommt. Für Tiere – ob lebendig oder tot – ist da schon längst kein Platz mehr, keine Aase weit und breit. Wenn einen bei solchen Zuständen der Ekel packt, dann kann man laut „Ihr Ekel!“ rufen und mit Tränen in den Augen überlegen, wie man wieder hinunterkommt und ob man nicht besser aufgehoben wäre als Seemann unter Seeleuten. Oder ob gar eine Auswanderung infrage käme – vielleicht in die USA? Weil es sich um einen pluralischen Ländernamen handelt, schreibt man: „Er kommt aus den USA. Die USA bestreiten dies.“

Und wie lautet der Plural von Plural?

Ganz einfach, es heißt: die Plurale. Die Bildung erfolgt ziemlich regelkonform wie bei den meisten männlichen und sächlichen Substantiven. Man hängt ein e an, und schreibt z. B. auch Bericht/Berichte, Boot/Boote.

Hier noch eine Übersicht häufig gesuchter Pluralformen:

  • Bonus – Boni, auch Bonusse
  • Komma – Kommas, auch Kommata
  • Semikolon – Semikolons oder Semikola
  • Cello – Cellos, auch Cellis
  • Graffito – Graffiti
  • Sog – Soge

Diesen Blogbeitrag habe ich erstmals am 30. Mai 2016 veröffentlicht und am 05. Juni 2019 umfassend überarbeitet und umgeschrieben.

Harte Fakten

Fast alle Wörter bilden separate Pluralformen, außer Wörtern:
die nur im Plural vorkommen (sog. Pluraliatantum: Ferien, Kosten),
die nur im Singular vorkommen (sog. Singulariatantum bzw. Singulariatantums: Hunger, Durst),
deren Singular- und Pluralform gleich ist (zum Beispiel Quader).
Pluralbildungen erfolgen mit oder ohne Umlaut: der Hafen/die Häfen, die Barkasse/die Barkassen. Manchmal gibt es Pluaralvarianten mit und ohne Umlaut, dies geht mit Bedeutungsänderungen einher: der Spund/die Spunde bzw. die Spünde.
Manche Fremdworte mit fremder Singularendung erhalten heimische Pluralendungen (Firma – Firmen), andere behalten auch im Plural die fremde Endung: Bonus – Boni (aber auch: Bonusse).
An englische Begriffe, die auf Y enden, wird im Plural ein S angehängt (Ponys).
Fremde Pluralendungen erhalten keine zusätzliche Endung: Ich habe tütenweise Spaghetti gekauft.

4 Antworten auf „Plural bzw. Mehrzahl: Diese Besonderheiten sollten Sie kennen“

Ihre Artikel sind wunderbar. Inhaltlich natürlich! Aber gelegentlich auch erheiternd, so im ersten Satz unter der Überschrift „Plural und Umlaute: Öfen, Katzen, Schlote“ – dort steht statt Stammvokal ein diskret abweichend geschriebenes Wort, welch selbiges allerdings eine unspektakuläre Pluralbildung ohne Umlaut ermöglichte… Hat mich sehr amüsiert.

Wie immer sehr interessant, aber „das Gebirge“ ist mit Sicherheit KEIN Pluraletantum, und schon gar nicht vergleichbar mit „die Ferien, die Leute, die Unkosten“.
Das Gebirge IST hoch.
Die Leute SIND verrückt.

Vielen Dank, Sie haben vollkommen recht! Ich habe die Stelle angepasst und werde, sobald ich dazu komme, demnächst noch mal den ganzen Artikel durcharbeiten. Beste Grüße und schöne Feiertage
Christian Wöllecke

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