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Blütenlese

Der frühe Vogel und das Gold

Nachdem ich neulich über eine falsche Untertitelübersetzung in House of Cards geschrieben habe, komme ich heute zu einem ähnlich gelagerten Fall in Better Call Saul. Diesmal ist die Übersetzung nicht falsch, sie wählt statt einer einfachen, guten Lösung einen übertragenen Sinn und steht sich mit dieser Ungelenkheit schließlich selbst im Wege. Kim Wexler, Anwältin und Jimmy McGills Freundin, sitzt mit dessen älterem Bruder, er ist einer ihrer Chefs, sehr früh am Morgen, noch weit vor dem Arbeitsbeginn anderer Angestellter, in dessen Büro. Um ein Gespräch in Gang zu bringen, zitiert Charles McGill ein Sprichwort:
Now I guess it’s true what they say: The early bird gets the worm.
Die Übersetzung entscheidet sich hier für die scheinbar solide – wenn auch trotzdem nicht vollends nachvollziehbare – Version:
Tja, ich schätze, es stimmt, was man sagt: Morgenstund’ hat Gold im Mund.
Dass es mit „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ eine adäquatere Übersetzungsmöglichkeit gegeben hätte, rächt sich im direkt anschließenden Satz:
Which is good, if you like worms.
Was gut ist, wenn man Gold mag.
Nach dem Straucheln folgt der Fall. Natürlich wird es sicher den ein oder anderen Menschen geben, der von sich behauptet, kein Gold zu mögen. Der Wurm jedoch, ist für einen deutlich größeren Teil der Menschheit keine besonders appetitliche Angelegenheit, zumal wenn das Sprichwort mit den Kontexten des das Habens und Verspeisens spielt. Gerade diese Verbindung von Vogel und Wurm und das übertragene Verschlingen oder Einverleiben wird durch das anorganische, unverdauliche Gold noch zusätzlich unterminiert. Warum das „falsche“ Sprichwort gewählt wurde, weiß ich nicht. Vielleicht war die Vogel-Sache der Übersetzerin bzw. dem Übersetzer einfach nicht bekannt. Es bleibt zu konstatieren, dass Fehler auch auf rein inhaltlicher, metaphorischer Ebene passieren können. Und das natürlich auch in Texten, die keinen Sprachentransfer hinter sich haben.

Beitragsbild: early bird von Neil Tackaberry unter der Lizenz (CC BY-ND 2.0)

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