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Gern oder gerne – der Unterschied zwischen Umgangs- und Standardsprache

Ob man gern allein oder gerne alleine ist – beide Formulierungen sagen das Gleiche aus. Aber warum sind sie trotzdem unterschiedlich? Und sind beide Schreibweisen korrekt?

Gern oder gerne? Es kommt auf die Sprechsituation an

Ganz praktisch kann man das an meinem Sohn nachvollziehen. Mit seinen zweieinhalb Jahren kann er zwar noch nicht alles, möchte es aber gern. So kann es schnell passieren, dass er bei jeder Handlung hyperventilierend schreit: „Iiiich, iiiich, alleine!“ Er hat dafür zweifelsohne wichtige Gründe und artikuliert sich völlig korrekt. Allein, in den meisten Texten sollte man die endungslose Form bevorzugen, vor allem in fachsprachlichen.
Gibt man dem kindlichen Ansinnen nach, ist alles gut. Kann oder möchte man nicht, wird die Sache ganz schnell schwierig. Meistens enden Wutanfälle auf dem Sofa im Kinderzimmer – mit einem gebellten: „Du nicht, geh weg!“ Das Kind möchte gern für sich sein. An vielen Stellen wird darauf hingewiesen, dass sich die kürzere Version nicht von der langen Form unterscheide. Es stimmt, dass beide Formen korrekt sind. Duden gibt allerdings eine Empfehlung für gern an, und ich sehe hier auch einen gewissen Gleichklang zu allein/alleine. Im Lektorat habe ich mir daher angewöhnt, gern für Fachsprache oder formellere Textsorten und gerne eher für Alltagssituationen oder Dialoge zu verwenden. Ich möchte jetzt gerne Eis essen.

Ein oder einen Meter?

Bei Längenmaßen gibt es, zumindest sprachlich, einigen Spielraum. Im Normalfall würde man sagen: „Mensch, der hat ja mindestens einen Meter am Tor vorbeigeschossen.“ In kürzeren Formen kann man aber auch ein verwenden: „Sie haben es aufgezeichnet. Dort sieht man: genau ein Meter.“ So ähnlich verhält es sich auch mit der Flexion (der Beugung) von Meter/-n. Insbesondere, wenn der Artikel fehlt, steht man schnell vor der Beugungsfrage. Die Regel besagt hier, dass die Flexionsendung fehlt, wenn das Gemessene unmittelbar folgt. Also: Ich springe aus tausend Meter Höhe ab. (Aber auch die Form mit Endung kommt gelegentlich vor.) Im Gegensatz dazu wird flektiert, wenn man sagt: „Der Sprung erfolgt bei tausend Metern.“

Gern oder gerne: nicht nur eine Frage von falsch oder richtig

Entweder man setzt sich vorn oder vorne ins Auto. Die Benutzung variiert je nach Textart, es handelt sich hier also vor allem um eine stilistische Entscheidung, mit der sich besonders automatische Korrekturprogramme noch schwer tun. In Dialog-Passagen eines Romans kann die endungslose Form schnell steif wirken. (Das genaue Gegenteil gilt übrigens für die Verbform in der ersten Person Singular. Ich hab alleine gewartet klingt mündlicher als: Ich habe allein gewartet. Ein Apostroph ist bei „hab“ übrigens nicht üblich.) Geht es um eine besonders authentische Wiedergabe der letzten Betriebsfeier im Mitarbeitermagazin, kann man ebenfalls mit der Umgangssprache arbeiten. (Und dann, das war der unbestrittene Höhepunkt des Abends, spielte vorne/vorn unser Herr Mayer aus der Produktion auf seiner Ukulele Es gibt kein Bier auf Hawaii.) Ich reserviere der Umgangssprache im Lektorat in der Regel aber einen Platz als vorrangig literarisches Mittel für glaubhafte Figurenrede.

Harte Fakten: Die Zusammenfassung am Karacho-MontagDienstag

In Formen wie vorn, allein, gern bewirkt ein zusätzliches „e“ eine Verschiebung in die stilistische Ebene der Mündlichkeit. Bei Verbformen in der ersten Person Singular führt hingegen der Wegfall des Buchstabens „e“ in die gleiche Richtung: Na, das hab ich mir ja gleich gedacht.
Man schreibt einen Meter, in kürzeren Varianten ist auch ein Meter zulässig.
Steht eine Längen- oder Höhenangabe ohne Artikel, dann wird sie gebeugt, wenn das Gemessene nicht unmittelbar folgt. Sonst steht sie ungebeugt.
Eine Strecke von 50 Metern. Eine Strecke von 50 Meter Länge (auch: 50 Metern).

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